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Erwartbare Entscheidung im Rat: Über Bürgerbeteiligung offen diskutieren?

Der Rat der Stadt Bochum hat am 01.02.2024 die Vorlage der Verwaltung zu den „Eckpunkten einer Bürgerbeteiligung“, an deren Entwicklung die Bochumer Bürger*innen nicht beteiligt waren, verabschiedet. Weder der per Brief an die Ratsmitglieder gerichtete Appell von 11 Verbänden und Initiativen noch der Antrag gem. § 24 GO NRW des Netzwerks für bürgernahe Stadtentwicklung konnten den durch die Stimmen der SPD und GRÜNEN gefassten Beschluss verhindern.

Malte Möring erinnerte in seiner Rede (siehe unten, im Rats-TV ab Minute 57 oder als PDF zum download) zum Antrag gem. § 24 GO NRW Politik und Verwaltung an die gegebene Zusicherung, mit der Bürgerschaft gemeinsam einen Bochumer Weg für Beteiligung zu erarbeiten und richtete einen engagierten Appell an die Ratsmitglieder, gerade in Zeiten eines Rechtsrucks durch falsche Beschlüsse keine zusätzliche Politikverdrossenheit zu schüren.

Offenbar wollte die Koalition das Thema abräumen, bevor engagierte Bürger*innen Ideen formulieren, die mehr sind als ‚Gehörtwerden‘, wie Sebastian Pewny Bürgerbeteiligung in der Debatte beschrieb. Doch wir bleiben dran – der Wahlkampf ist eröffnet!

 

Malte Möring im Rats-TV

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Rede von Malte Möring

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Ratsmitglieder,
liebe Zuschauer*innen hier und an den Endgeräten,

das Deutschlandradio stellt sein Programm jedes Jahr unter ein von den Zuhörer*innen ausgewähltes Motto. Dieses Jahr lautet es: „Es könnte so schön sein, wenn…“.

In Bochum würden wir als engagierte Bürger*innen den Satz heute so ergänzen: „…wenn endlich eine ergebnisoffene und öffentliche Diskussion darüber begonnen würde, wie Bürgerbeteiligung in dieser Stadt aussehen soll.“

Genau das ist uns zugesichert worden, einerseits in dem von der Verwaltung einberufenen Akteursforum und andererseits auf öffentlichen Veranstaltungen von Thorsten Lumma, dem Chef des Referats für Bürgerbeteiligung. Z.B. auf einer Veranstaltung der Freundinnen und Freunde des Hallenfreibads im November 2022 in Höntrop. Dort sagte er: „Wir wollen dann mit der Öffentlichkeit natürlich kommunizieren, wenn wir wissen, wie unsere Haltung ist.“ Er meinte damit die verwaltungsinterne Diskussion über Bürgerbeteiligung, deren Ergebnis heute als ‚Eckpunkte‘ verabschiedet werden soll.

Interessant ist dazu die Reaktion von Toralf Stark, Politikwissenschaftler von der Uni Essen/Duisburg, der zu Bürgerbeteiligung zwischen den Wahlen forscht und mit auf dem Podium saß. Sein Kommentar: ‚Das ist der absolut falsche Weg! Warum machen Sie keinen Bürgerkongress und klären: Welche Beteiligung möchten die Bochumer Bürger? … Dass es in Bochum zu Bürgerbeteiligung bereite Bürger gibt, ist nicht selbstverständlich. Warum nutzen Sie das nicht? Beteiligung hilft gegen Politikverdrossenheit!‘

Im März 2023 haben die Grünen zur Beteiligung der Bochumer*innen in ihrem Fraktionsbeschluss festgeschrieben: „In 2023 wird der Rat einen Beschluss zur Verstetigung der Bürgerbeteiligung durch die Formulierung von Leitlinien treffen. … Selbstverständlich sollen Bürger*innen an der Definition der Leitlinien beteiligt werden.“ Das haben Sie, das hat die Fraktion der Grünen, so festgeschrieben.

Davon ist heute keine Rede mehr!

Mitglieder aus 11 Initiativen in dieser Stadt haben Sie in einem gemeinsamen Brief gefragt: Wie kann es ernsthaft einen Ratsbeschluss über Bürgerbeteiligung geben, ohne dass die Bürgerschaft beteiligt wurde? Welche Akzeptanz sollen die festgeschriebenen ‚Eckpunkte‘ haben, wenn sie uns als Beschluss vorgesetzt werden?

In Hintergrundgesprächen mit den Koalitionsfraktionen wurde immer wieder darauf verwiesen, dass Sie die gewählten Repräsentant*innen sind, dass Sie wissen, was die Bochumer*innen wollen, dass der ‚Rat die Stadtgesellschaft‘ sei. Das ist er nicht! Wir alle zusammen sind die Stadtgesellschaft – die Politik, die Verwaltung UND die 372.000 Bürger*innen!

Sie sagen, Engagement in Parteien sei der Weg mitzureden. Was aber bieten Sie all den Menschen an, die in dieser Stadt aktiv sind, für die Parteien aber keine zeitgemäße Option der politischen Betätigung sind? Ist deren Tun Engagement zweiter Klasse und kann vernachlässigt werden?

Wir fordern Sie also auf, ernsthaft und gemeinsam über einen guten Bochumer Weg in Sachen Bürgerbeteiligung zu sprechen, gemeinsam Vorstellungen zu entwickeln und dann verbindliche Leitlinien im Rat zu verabschieden!

Denn verbindlich sind die vorgelegten Eckpunkte nicht!

Sie wimmeln von ‚soll‘-Formulierungen, verwenden gern das Wörtchen ‚möglichst‘ und genau das kennen wir aus vergangenen Beteiligungsprozessen.

Im Beteiligungsverfahren ‚Wohnen Am Hillerberg‘ hat die Verwaltung die konsensualen Ergebnisse aus dem letzten großen Treffen und den Empfehlungen des Begleitgremiums in einer Dokumentation vorgelegt. Zwei Monate später gab es eine neue Broschüre mit den von der Verwaltung nachträglich vorgenommenen Veränderungen, die Frau Möller als ‚unverhandelbar‘ bezeichnete und die weder für die Beteiligten noch für die Expert*innen akzeptabel sind.

Beim gut verlaufenen Beteiligungsprozess zur Global Nachhaltigen Kommune wurden von der Verwaltung die Arbeitsergebnisse weder den Beteiligten noch den Ratsmitgliedern vorgelegt sondern nur das, was die Verwaltung daraus gemacht hat.

So macht man Beteiligungsprozesse systematisch kaputt, schürt Frust und Politikverdrossenheit.

Klaus Selle, ein Wissenschaftler, der seit Jahrzehnten zu Bürgerbeteiligung forscht, beschreibt die destruktiven Folgen solchen Handelns folgendermaßen: „Die vorher intensiv geführten Dialoge mit der Stadtgesellschaft wurden abrupt beendet. … Das alles ist für die, die sich zuvor engagierten, schwer zu verstehen. … Noch häufiger ist zu beobachten, dass die Ergebnisse der Erörterungen mit der Öffentlichkeit irgendwo „versickern“. Es ist nicht mehr nachzuvollziehen, was mit ihnen geschieht. Das frustriert viele und erzürnt manche. Keinesfalls aber motiviert so etwas dazu, noch einmal an Prozessen ähnlicher Art mitzuwirken. Je mehr auf diese Weise beteiligt wird, umso schlechter steht es um die Chancen einer neuen Beteiligungskultur.“

Können und wollen Sie sich einen solchen Befund wirklich leisten?

Und es geht ja besser: Vor einigen Jahren hat Herr Dr. Bradtke im Stadtgespräch zum Thema Bürgerbeteiligung ins Museum eingeladen. Dort erläuterte u.a. Dirk Lahmann aus Bonn die seit 2014 beschlossenen Leitlinien für Bürgerbeteiligung in seiner Stadt. Darin wird betont: „Der Umgang mit den Ergebnissen der Bürgerbeteiligung ist die Messlatte, wie ernst Bürgerbeteiligung in Bonn genommen wird.“ Hier ist es selbstverständlich, dass die Arbeitsergebnisse den politischen Gremien vorgelegt werden, dass die Gremien begründen, wenn sie zu einer anderen Entscheidung kommen, dass alles öffentlich dokumentiert wird – so geht Transparenz und Verlässlichkeit! So wird Vertrauen geschaffen!

Mit dem heutigen Ratsbeschluss soll das Gegenteil passieren.

Heute sollen Sie ein ‚Eckpunkte‘-Papier der Verwaltung beschließen, in dem allein die Vorstellungen der Verwaltung festgeschrieben sind, angereichert um ‚Signale aus der Politik‘, wie Thorsten Lumma es nannte.

Sie brechen damit nicht nur Ihre Versprechen vor der Kommunalwahl 2020. Sie vertun damit die Chance, den Weg in ein zukunftsfähiges Bochum zu einer gesamtstädtischen Bewegung zu machen.

Politikverdrossenheit ist, da sind wir uns sicher einig, das Letzte, was wir uns gerade leisten können! Die AfD veranstaltet ‚Bürgerdialoge‘ in verschiedenen Ruhrgebietsstädten, zum Beispiel in Witten am 24.1., in Gelsenkirchen am 27.1., und glauben Sie mir eins, die werden auch in Bochum anklopfen. Es ist an Ihnen, den Rechtsruck nicht durch destruktive Beschlüsse noch zu stärken!

Wann gilt die im Dezember in der Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedete ‚Förderung der Demokratie‘ wenn nicht jetzt?

Beauftragen Sie die Verwaltung, einen offenen Debattenprozess über Bürgerbeteiligung in Bochum zu starten.

Es könnte so schön sein…
Vielen Dank!

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